Gaming wird immer vielseitiger, diverser und auch weiblicher! Anlässlich des Women‘s History Month widmet Xbox den März den weiblichen Stimmen innerhalb der Gaming-Branche. Freue Dich auf unsere spannende Interviewreihe mit Entwicklerinnen, Redakteurinnen, Streamerinnen und weiteren Frauen, die einzigartige Einblicke in ihren Job geben. Dieses Mal sprechen wir mit Rae Grimm, Chefredakteurin bei GamePro – einem der größten deutschsprachigen Portale rund um Konsolen-Gaming. In diesem Interview erfährst Du mehr zu Raes Werdegang, ihrer Motivation und dem Beruf Videospiel-Journalist*in.
Hey Rae, wie bist Du eigentlich auf die Idee gekommen, Gaming-Redakteurin zu werden?
Tatsächlich habe ich als ich jünger war nie darüber nachgedacht, dass Gaming ein Bereich wäre, in dem ich später professionell arbeiten könnte. Ich habe zwar schon immer gern gespielt und auch immer gern geschrieben – der Gedanke beides zu kombinieren kam allerdings erst auf, als ich aus Spaß anfing, ehrenamtlich für einen kleinen Gaming-Blog zu schreiben. Da habe ich plötzlich gemerkt: das will ich beruflich machen! Darauf folgten Praktika in richtigen Redaktionen und schlussendlich habe ich darüber dann in der Branche Fuß gefasst.
Für die angehenden Journalist*innen da draußen: War der Job so, wie Du ihn Dir vorgestellt hattest oder gab es Überraschungen?
Es gab einige Überraschungen gab es auf jeden Fall und der Videospieljournalismus hat sich zusätzlich stark verändert, seit ich angefangen habe. Ich würde sagen, vor zehn Jahren hat er noch mehr den generellen Erwartungen entsprochen als heute. Viele denken immer “ist ja nur spielen und schreiben”, aber das ist schon seit einiger Zeit nicht mehr so. Im Zentrum unserer Arbeit steht immer die Frage “Was interessiert Spieler*innen da draußen wirklich? Welche Probleme und Fragen umtreiben sie?”. Um das herauszufinden, besteht ein großer Teil unserer Arbeit aus Analysen – zusätzlich zum Spielen und darüber Schreiben, versteht sich.
In einem Video zum Weltfrauentag auf Twitter sagst Du, dass Deine Leser zu Anfang nicht wussten, dass Du eine Frau bist: Wie hat sich das Verhältnis zur Community nach der Klarstellung geändert?
In meiner ehrenamtlichen Tätigkeit war das tatsächlich noch kein Thema. Aber als ich anfing für größere Mainstream-Medien zu arbeiten, hat sich der Fokus auf mein Geschlecht plötzlich verändert und die Kommentare wurden immer kritischer und aggressiver, weg von meiner Arbeit und hin zu meiner Person oder meinem Geschlecht. Selbst von Kommentatoren, die mir zuvor gegenüber positiver eingestellt waren. Ich habe daraufhin dann angefangen, mich aus den Kommentaren zurückzuziehen und den aktiven Austausch, den ich vorher genossen hatte, mehr und mehr zu meiden. Es hat mir für lange Zeit den Spaß genommen, mit Leser*innen zu interagieren, wenn auch nicht am Schreiben oder der Arbeit allgemein. Mittlerweile hat sich die Situation zum Glück an vielen Punkten gebessert, auch weil die Community diverser und offener geworden ist und wir tolle Community Manager und Moderatoren haben, die hart daran arbeiten, dass sich alle bei uns wohl fühlen können.
Die Gaming-Branche ist sehr männerdominiert – auch auf Seiten des Journalismus. Hattest Du mit Vorurteilen zu kämpfen? – und ist das heute noch immer so?
Gerade zu Beginn meiner Tätigkeit musste ich mich auch hier vielen Herausforderungen stellen. Als ich vor zehn Jahren anfing, hat mich das Männer-Frauen-Verhältnis schon überrascht. Auf Events war ich beispielsweise gern mal die einzige Frau. Ich wurde oft weniger ernst genommen, weniger beachtet – auch im Kollegenkreis. Das änderte sich erst, als ich eine höhere Position einnahm. Und als ich mehr und mehr Frauen in der Branche kennenlernte. Heute gibt es viel mehr Frauen in den Gaming-Redaktionen, die sich austauschen und neue Perspektiven einbringen. Und es gibt mehr Frauen in Führungspositionen, was ebenfalls ein wichtiges Signal für Nachwuchsjournalist*innen oder Entwickler*innen ist. Wenn Spieler*innen sehen, dass jemand wie sie bereits da ist, wo sie vielleicht hinwollen, wenn sie sich repräsentiert sehen, dann trauen sie sich eher, sich selbst zu bewerben.
Du bist Chefredakteurin in einem der relevantesten Gaming-Medien Deutschlands – damit einher geht ein großes Maß an Personalverantwortung: Was ist das Erfolgsrezept Deines Führungsstils?
Ich denke, es gibt nicht den einen Führungsstil, der für alle passt. Daher ist es auch schwer für mich, aus meinem ein bestimmtes Erfolgsrezept auszumachen. Mein Team beschreibt mein Auftreten immer als “fürsorgliche Diktatur” (lacht) – eine Mischung aus Verständnis und Verantwortung. Mir ist einfach wichtig, alle gleich zu behandeln und trotzdem jeden individuell zu führen. Das funktioniert nur, wenn man immer im Austausch mit dem eigenen Team bleibt und die individuellen Persönlichkeiten, Stärken und Bedürfnisse beachtet. Nur so haben alle die gleichen Chancen sich weiterzuentwickeln – egal ob Praktikant*in, Volontär*in oder langjährige*r Mitarbeiter*in.
Seit Jahren schon zeichnet sich ein Trend ab und der Wunsch nach mehr Diversität und Inklusion innerhalb der Branche – aber auch darüber hinaus – wird größer: Stellst Du diesen Trend auch in Videospielen fest?
Ich würde sagen ja. Das liegt aber auch daran, dass generell immer mehr Spiele entwickelt werden und wir neben großen Studios eine blühende Indie-Szene haben. Durch die im Vergleich zu früher geringere Einstiegshürde in die Spieleentwicklung haben wir heutzutage eine viel größere Auswahl an Titeln mit den unterschiedlichsten Ansätzen und Charakteren. Diese geringere Einstiegshürde erleichtert es, den unterschiedlichsten Leuten Spiele zu entwickeln, was für mehr Diversität sorgt.
Die Zeiten sind vorbei, in denen gefühlt nahezu jeder Hauptcharakter ein weißer, braunhaariger Typ mit einem Dreitagebart sein musste – ihr kennt sicher das Meme! Neben einer Menge starker Heldinnen bieten immer mehr Spiele einen Character Creator, in dem man seine Spielfigur ganz individuell nach den eigenen Wünschen anpassen kann. Zwar gibt es auch hier noch zu viele Limitierungen – es ist beispielsweise oft nicht möglich, einen Trans*-Charakter oder einen Charakter mit Behinderung zu erstellen – aber wir machen gute erste Schritte in die richtige Richtung.
Gibt es weibliche Vorbilder, die Du bewunderst? Entwicklerinnen, Lieblingsspielfiguren, Künstlerinnen – ganz egal!
Ich habe tatsächlich sehr viele Vorbilder, von denen ich mir aber nur einzelne Aspekte herauspicke, die ich besonders bewundernswert finde. Die füge ich dann zu einem Gesamtbild zusammen – als mein persönliches „Vorbild-Puzzle“ (lacht). Dazu gehören dann beispielsweise Journalistinnen wie Keza MacDonald oder Leigh Alexander und Cara Ellison, die vom Journalismus auf die Entwicklerseite gewechselt haben. Ich bewundere aber auch Lisa Ludwig, die früher Chefredakteurin des feministischen Vice-Ablegers Broadly war und heute unter anderem für Vogue schreibt. Ein Vorbild speziell unter Videospiel-Charakteren zu finden, ist da schon deutlich schwieriger. Aber als großer Mass Effect-Fan habe tatsächlich immer Commander Shepard immer sehr bewundert – auch wenn ich dort letztendlich die Entscheidungen getroffen habe (lacht). Am Ende ist es mir wichtig, nicht einer bestimmten Person nachzueifern, sondern mir ein ganz persönliches Rollenbild mit individuellen Zielen zu setzen.
Welche Ratschläge würdest Du Frauen mit auf den Weg geben, die im Gaming Fuß fassen wollen?
Traut Euch! Macht den ersten Schritt und seid nicht zu streng mit Euch selbst. Ein häufiger Fehler ist, zu selbstkritisch zu sein und die eigenen Kompetenzen so stark anzuzweifeln, dass man sich selbst im Weg steht. Ich habe schon oft erlebt, dass Frauen nicht den Mut aufbringen, sich zu bewerben, obwohl sie vielleicht perfekt auf die Stelle gepasst hätten. Und zum anderen: Sucht Euch Verbündete. Tauscht Euch aus und sprecht über Eure Meinungen aber auch Probleme und Sorgen – ich verspreche Euch, Ihr seid garantiert nicht alleine!
Wenn Du drei Wünsche für die Zukunft der Gaming-Branche erfüllen könntest, welche wären es?
Da muss ich tatsächlich kurz überlegen. Mein erster Wunsch wäre wohl mehr Zusammenhalt. Denn egal, ob Casual- oder Core-Gamer, Playstation oder Xbox – wir teilen alle dasselbe Hobby und Interesse und trotzdem empfinde ich die Community noch immer als zu sehr gespalten.
Zweitens wünsche ich mir mehr Diversität – sowohl in Spielen als auch in der Branche. Es gibt noch immer zu wenig Frauen, zu wenige PoC, zu wenig Trans*-Charaktere oder Charaktere mit Behinderungen. Der Hauptgrund, warum wir Videospiele spielen, ist schließlich, um neue Erfahrungen zu machen, die uns im echten Leben nicht möglich sind. Mehr Diversität bedeutet mehr für alle – mehr unterschiedliche Charaktere, mehr einzigartige Erfahrungen, mehr Erkenntnisse, die wir sonst nie gemacht hätten. Daher spielt Diversität eine so unglaublich wichtige Rolle für Videospiele.
Und als letztes wünsche ich mir bessere Arbeitsbedingungen in der Branche. Damit meine ich vor allem weniger Crunchtimes und Druck für alle. Das würde die Branche wesentlich attraktiver für junge Talente machen. Auf lange Sicht würden auch die Spieler*innen erkennen, dass sie viel mehr von dem finalen Produkt haben. Denn mehr Entwicklungszeit bedeutet nicht nur, dass die Erwartungen an ein Spiel eingehalten werden können. Sie sorgt auch dafür, dass die Qualität der Inhalte steigt. Wenn wir ein neues Spiel genießen und wissen, das diesen Erfolg kein*e Entwickler*in mit einem Burnout bezahlen musste, können alle stolz und zufrieden sein.
Wir danken Rae für die Zeit und den faszinierenden Einblick in ihren Beruf. Weitere Informationen, noch mehr Interviews und die aktuellsten News aus dem Xbox-Kosmos findest Du schon bald hier auf Xbox Wire DACH.
Hier findest Du unsere weiteren Interviews im Women’s History Month:
1) Caroline Marchal, Gründerin von INTERIOR/NIGHT
2) Macha Lopez, Narrative Designer bei DONTNOD Entertainment
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