Als wir mit der Entwicklung von Disciples: Liberation angefangen haben, wussten wir: Eine der größten Hürden würde es werden, ein auf Konsolen nicht sehr weit verbreitetes Genre einem völlig neuen Publikum zugänglich zu machen. Das Genre der Dark-Fantasy-Strategie-RPGs war davor hauptsächlich auf dem PC vertreten. Ein solches Spiel auf die PS5 zu bringen und an die Steuerung mit dem DualSense-Controller anzupassen, war ein schwieriges, aber sehr lohnenswertes Abenteuer, vor allem für ein so kleines (dafür aber umso leidenschaftlicheres) Team …
Wir wussten von Anfang an, dass unsere Zeit und unsere Ressourcen nur reichen würden, um uns bei der Benutzeroberfläche (User Interface, UI) auf eine einzige Philosophie zu konzentrieren. Und weil das Spiel auch für den PC erscheinen sollte, musste die Benutzeroberfläche mit zwei völlig verschiedenen Eingabemethoden funktionieren: dem DualSense-Controller und Tastatur/Maus. Bei der Entwicklung von Disciples: Liberation für die PS5 hatten wir zwei Ziele:
- Sicherstellen, dass Veteranen der Reihe nicht das Gefühl haben, es wurde bei der Entwicklung eines komplexen Dark-Fantasy-Strategie-RPGs für Konsolen etwas vereinfacht oder geopfert.
- Intuitive Menüs und Tastenbelegungen entwickeln, die sich auf dem DualSense-Controller ganz natürlich anfühlen.
Als Lead UI/UX Designer des Projekts war ich dafür verantwortlich, diese zwei Welten zu vereinen und dafür zu sorgen, dass das Interface des Spiels komplex und intuitiv ist, gleichzeitig aber perfekt zum DualSense passt. Aufgrund anhaltender Rückenprobleme (weil ich nicht nur bei der Arbeit, sondern auch in meiner Freizeit ständig am Schreibtisch sitze) verwende ich für das Spielen am PC und auf der PS5 schon länger nur den DualSense. Ich war begeistert, wie gut der Controller auf beiden Plattformen funktioniert. So begeistert, dass ich sogar mein komplettes UI-Layout aus manchen meiner Lieblings-MMOs übertragen habe (was gar nicht so leicht ist!). Dank dieses einzigartigen Hintergrunds wusste ich, dass ich der Aufgabe gewachsen war, für Disciples: Liberation die perfekte DualSense-Steuerung zu entwickeln. Und mir war klar: Wenn ich es schaffe, das Spiel zugänglicher für die Spieler zu machen und wirklich jedem zu erlauben, sein Eingabegerät zu wählen, dann habe ich meinen Job gut gemacht.
Wir haben schon relativ früh in der Entwicklung entschieden, in den Menüs im Spiel einen virtuellen Cursor zu verwenden. Falls ihr euch darunter nichts vorstellen könnt: Ein virtueller Cursor ist ein Cursor, den die Spieler mit dem linken oder dem rechten Analogstick frei über den Bildschirm bewegen können. Ich hatte schon einige andere Spiele mit einem solchen System gespielt und wusste deswegen, dass wir etwas Besonderes erschaffen konnten. Vorausgesetzt, wir überlegen uns ganz genau, wie man Menüs erstellt, die sich auf der PlayStation 5 natürlich anfühlen.
Zunächst einmal haben wir einige frühere Titel recherchiert und ausprobiert, die einen virtuellen Cursor implementiert hatten. Dabei haben wir schnell gemerkt, dass ein relativ schneller Cursor perfekt ist, der über Buttons und interaktiven Elementen langsamer wird, um dem Spieler Zeit zu geben, zu reagieren und anzuhalten. Wir haben Fitts’ Gesetz für die Menüs und die Interaktion mit den Buttons auf dem Bildschirm eingesetzt. Das Gesetz besagt, dass ein Ziel schwerer zu treffen ist, je kleiner und weiter entfernt es ist.
Angesichts dieser Tatsache haben wir entschieden, dass man einen Button am besten virtuell vergrößern kann (also dafür sorgen, dass er sich für den Spieler größer anfühlt), indem wir die Geschwindigkeit des Cursors verlangsamen, wenn der Spieler ihn über den Button bewegt. Wenn der Cursor sich beispielsweise mit einer Geschwindigkeit von 100 Pixel pro Sekunde bewegt und der Button 200 Pixel breit ist, würde der Spieler zwei Sekunden brauchen, um über den Button hinwegzugehen. Wenn der Cursor aber auf 50 Pixel pro Sekunde verlangsamt wird, sobald er über einen Button bewegt wird, geben wir dem Spieler doppelt so viel Zeit, den Button zu drücken.
Nachdem das Design fertig war, habe ich mit unserem Lead Programmer darüber geredet und wir sind ans Werk gegangen! Zwei Tage später hatten wir einen sehr überzeugenden Prototypen. Danach haben wir noch einige Wochen lang Features ergänzt und Finetuning betrieben, um das Erlebnis für die Spieler weiter zu optimieren. Dazu zählten kleine, aber bedeutende Änderungen wie beispielsweise das Festlegen einer bestimmten Cursor-Verlangsamungsrate auf Elementbasis (wir konnten also die Geschwindigkeit der Cursor-Interaktionen mit einzelnen Buttons festlegen), Hintergrund-Gegenscrolling (der Bildschirm bewegt sich in die entgegengesetzte Richtung zum Cursor, um die Geschwindigkeit virtuell zu erhöhen) und ein plattformspezifischer Filter, der über alle Elemente auf dem Bildschirm gelegt wird, wodurch wir das UI-Erlebnis für PlayStation 5-Spieler speziell anpassen konnten. Der Filter funktioniert im Prinzip wie die alten rot-blauen „3D“-Brillen – die Informationen für alle Plattformen sind immer da, aber wenn man unseren Filter aktiviert, werden dem Spieler nur die DualSense-Eingabeaufforderungen angezeigt.
Durch den virtuellen Cursor konnten wir auch ganz leicht Layouts erschaffen, die sich auf allen Plattformen organisch und natürlich anfühlen und ästhetisch gut aussehen. Beim Design der Menüs haben wir Fitts’ Gesetz sogar genutzt, um winzige Interaktionen zu optimieren. Beispielsweise erscheinen Inventargegenstände von der linken oder der rechten Bildschirmseite, je nachdem, wo auf dem Bildschirm sich ein Element befindet. Dadurch ist weniger Zeit nötig, um sich in der Inventarliste zwischen einer Kategorie und den ersten Gegenständen zu bewegen, was zu einem unglaublich flüssigen und befriedigenden Benutzererlebnis führt.
Beim Gameplay haben wir eine ähnliche Philosophie verfolgt und sichergestellt, dass wichtige Aktionen ganz leicht über die Tasten auf dem DualSense abzurufen sind. Es fühlt sich im Spiel absolut natürlich an, sich fortzubewegen, die Kamera zu zoomen und den Einheiten Befehle zu erteilen. Außerdem haben wir Tastenkürzel für Aktionen implementiert, die sich repetitiv anfühlen können oder für die man den Cursor über große Bereiche des Bildschirms hin- und herbewegen muss. Stattdessen bieten wir dem Spieler die Wahl, die Taste entweder über den virtuellen Cursor auszuwählen oder eine der Aktionstasten (Kreuz, Kreis, Quadrat und Dreieck) des DualSense-Controllers zu verwenden, um einen Gegenstand aufzuwerten oder einen Ergebnisbildschirm zu überspringen. Unsere QA war davon ziemlich angetan.
Das UI-Design von Disciples: Liberation für den DualSense war eine einzigartige Herausforderung, aber ich bin sehr stolz auf das Spiel und sehr gespannt auf das Feedback der PlayStation-Spieler, wenn es am 21. Oktober erscheint.
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