Die charmante Trilogie von Daedalic war auf PC ein Überraschungserfolg. Nun entern Rufus und Co. erneut die PS4. Und Chaos auf Deponia beweist eindrucksvoll, dass Fortsetzungen manchmal besser als ihr Ruf sind.
Denn sowohl hinsichtlich Narration als auch Umfang und Humor wird hier nochmals deutlich nachgelegt. Und während man gebannt der Erzählung folgt, sorgen knackige Rätsel für den nötigen Anspruch, um Veteranen des Genres ebenfalls glücklich zu machen. Ein Abenteuer, das bereits jetzt als moderner Klassiker betrachtet wird und durch seinen herausragenden Art Style auch optisch aus der großen Masse an Spielen heraussticht.
Die Welt ist nicht genug
Das Sequel schließt dort an, wo der erste Teil aufhörte. Und da Deponia ja bekanntlich sehr abrupt endete, ist es nun umso schöner, erneut mit Rufus unterwegs zu sein. Dabei ist der eigenwillige, etwas narzisstisch anmutende Held wieder in Topform – vor allem, was sein Mundwerk betrifft. Doch schon sehr bald steht er vor zwei gewaltigen Problemen. Einerseits droht der Militärapparat Organon den Planeten zu verwüsten, was Rufus natürlich verhindern muss. Andererseits ist seine Androiden-Freundin Goal nicht wiederzuerkennen. Denn nach einer missglückten Operation ist ihre Persönlichkeit in drei Teile gespalten, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Stellt euch also schon mal auf jede Menge Chaos ein – der Name ist Programm. Und natürlich auf den gewohnt erfrischenden Humor, für den die Reihe bekannt ist.
Was der Vorgänger in puncto Handlung begann, setzt Chaos auf Deponia nun gelungen fort. Dabei entwickelt sich die Erzählung zunehmend in eine komplexe und spannende Angelegenheit, der trotz der offensichtlichen heiteren Grundstimmung im Spiel stets ein bedrohlicher Schatten anhaftet. Schließlich steht Rufus gewaltig unter Druck, die nahende Katastrophe doch noch abzuwenden. Und so nutzt er seine Eloquenz, um die Deponianer gegen das skrupellose Regime aufzuhetzen. Der Plan: Eine ausgewachsene Rebellion gegen die Unterdrücker in Gang zu setzen.
Wäre das nicht bereits Aufregung genug, kommt der bereits erwähnte sonderbare Wandel von Goal hinzu. Darüber hinaus mischt der fiese Cletus – der Doppelgänger von Rufus -in dieser skurrilen Geschichte mit. Und nach zahlreichen Stunden inklusive überraschenden Wendungen stellt sich eine Frage ganz eindringlich: Wer ist nun der größte Egoist von allen: Rufus, Cletus oder doch etwa die bezaubernde Goal? Obgleich sich jene Frage erst im dritten und letzten Teil abschließend beantworten lässt und das aktuelle Abenteuer erneut recht offen endet, haben die Entwickler hier deutlich bessere Arbeit geleistet. Denn das Finale wirkt runder und stimmiger als im Vorgänger. Schön, dass die Macher das Feedback von Kritikern und Fans offensichtlich ernst genommen haben.
In Sachen Umfang ist der Mittelteil ebenfalls gewachsen. Das ist nicht zuletzt dem neuen Schauplatz geschuldet. Denn beim Schwimmenden Schwarzmarkt handelt es sich um eine Stadt auf dem Meer, die im Vergleich mit dem Dorf aus dem Vorgänger riesig erscheint. Und so erforscht ihr aufmerksam per Hand gezeichnete Viertel wie den heruntergekommenen Hafen, den lebendigen Marktplatz, das malerische Klein-Venedig sowie die abgehobene Oberstadt. Letztere ist übrigens nur nach einer erfolgreich absolvierten Geruchsprobe betretbar. Nur einer von vielen Hinweisen darauf, wie abgedreht komisch diese Welt und ihre Bewohner sind. Dass durch die erweiterten Gebiete auch mehr sonderbare Charaktere, vielfältigere Interaktionen und insgesamt ein höherer Spielspaß auf euch warten, ist letztlich die wichtigste Botschaft von allen.
Einzigartige Persönlichkeiten
Seit einigen Jahren feiert das Genre so etwas wie eine Renaissance. Dabei bestechen viele Adventures nicht nur mit Witz und Rätseln, sondern zudem immer mehr mit sensationell gut geschriebenen Geschichten. All das trifft ebenfalls auf Chaos auf Deponia zu. Doch hier schlummert noch ein Ass, das aus dem Ärmel muss: extrem skurrile Charaktere. So trefft ihr neben alten Bekannten wie Bozo oder Doc auf Figuren wie den unsicheren Restaurant-Besitzer, der einen menschenfressenden Dämon im Keller hat. Oder einen blinden Apotheker und einem Schnabeltier-Club-Vorsitzenden mit jeder Menge Schnabeltieren. Allesamt kleine, feine Geschichten, die – kunstvoll miteinander verwoben – ein erzählerisches Gesamtkunstwerk ergeben.
Zudem sorgen perfekt durchdachte Dialoge für den nötigen Tiefgang hinsichtlich Charakterzeichnung, die dadurch erst so richtig zum Ausdruck kommt. So ist es praktisch unmöglich, über den Sprachfehler des Anführers einer lokalen Widerstandsgruppe hinwegzusehen, der jedes Gespräch allein deshalb schon urkomisch macht. Unvergleichlich stimmungsvoll ist dann der singende Gondoliere, der mit seinen bizarren Einlagen perfekt zum Spielgeschehen passt. Dabei steht – wie bei zahlreichen Dialogen – viel zwischen den Zeilen. Meistens geht es um Beziehung und Liebe – wie im Real Life eben.
Um die Ecke gedacht
Abgesehen davon, dass Goals Persönlichkeiten immer wieder an euren Nerven zerren, haben sie auch ihr Gutes. Denn der jeweils gewünschte Teil eurer Freundin lässt sich bequem per Fernbedienung aktivieren. Ein Feature, das ihr bei zahlreichen Rätseln benötigt. So ist die naive Goal praktisch für alles zu haben, während die temperamentvolle Goal schon mal mit dem Kopf durch die Wand geht. Dagegen wünscht sich die Prinzessin in ihr, schön zum Essen ausgeführt zu werden. Doch auch reguläre Rätsel im Spiel erfordern eine gehörige Portion Um-die-Ecke-denken. Schließlich bergen etliche Puzzles eine Meta-Ebene in sich, auf die unbedingt zu achten ist. Das macht die Rätsel erfrischend anders und stellt selbst erfahrene Adventure-Experten gelegentlich vor eine echte Herausforderung.
Zudem gibt sich Chaos auf Deponia im Bereich Art Style ebenfalls keine Blöße. Sämtliche gezeichneten Hintergründe und Figuren sowie die Animationen im Spiel wirken wie aus einem Guss. Dabei sorgen Musikuntermalung sowie Vertonung dafür, dass jene Welt mit ihren seltsamen, doch erstaunlich liebenswerten Gestalten auch akustisch akkurat zum Leben erwacht. Wer also glaubt, der zweite Teil sei lediglich ein Lückenbüßer, wird hiermit eines Besseren belehrt. Was für ein Fest!
Chaos auf Deponia steht ab sofort im PlayStation Store zum Download bereit – um nur 19,99 Euro. Und PS-Plus-Mitglieder erhalten aktuell noch 10 Prozent Rabatt auf den Kaufpreis — aber wartet nicht zu lange, das Angebot endet am 14.12.!
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