Das war nicht mein erstes Motion-Capture-Rodeo. Ich betrat den Motion-Capturing-Raum bewaffnet mit einem beeindruckenden Lebenslauf; schließlich hatte ich Motion Capture und Stunt-Koordination für einige der größten Spiele der Welt durchgeführt. Ich sah mich als einen Schwarzgurt in Mocap-Jitsu, bereit für alles. Und dann stellte ich fest, dass ich an Demon’s Souls arbeitete, und für dieses Spiel musste ich nach 20 Jahren Erfahrung im Geschäft neu lernen, wie man sich bewegt.
Creative Director Gavin Moore und Animation Director Chris Torres hatten die Aufgabe, das präzise Feeling umzusetzen, das die Spieler aus dem Original kannten, es aber auch auf eine innovative Weise zu erweitern, die dem Kern-Gameplay jedoch treu bleiben würde. Alle Animationen des Originals mussten per Motion Capturing aufgezeichnet werden, und ich war die nächsten eineinhalb Jahre ihre Muse.
Das Motion Capturing für das Kampfsystem von Demon’s Souls war ein sehr präzises Unterfangen. Die Angriffe, Bewegungen, Ausweichmanöver und synchronisierten Kills, oder „Gegenschläge“, mussten spielbar sein, originalgetreu, und aus ästhetischer Sicht einwandfrei. Wenn die Animation zu schnell abläuft, fehlen den Bewegungen klare Bögen und Silhouetten. Wenn sie zu langsam sind, verlieren sie möglicherweise ihr „Gewicht“ und ihre Trägheit. Gavin kümmerte sich um Absicht und Technik, während Chris dafür sorgte, dass die Metriken stimmen.
Es musste ein Bewegungssatz für jede der 20 Waffenklassen aufgenommen werden, einschließlich Gehen, Laufen, Sprinten, Drehungen, Start- und Stoppbewegungen, Drehungen und Seitwärtsschritten, und das alles zum Takt eines rhythmischen Metronoms. Diese Bewegungen wurden zu komplexen Mustern vereint, die wir „Tanzkarten“ nannten. Chris entschied sich, die Gehbewegungen morgens zum Aufwärmen aufzuzeichnen, dann ging es weiter mit Sprints, und als ich am Nachmittag dann erschöpft war, nahmen wir die „überlasteten“ Bewegungen auf. Für die erste Tanzkarte brauchten wir einen ganzen Tag, aber schließlich wurden wir effektiver und konnten eine in 70 Minuten abschließen.
Beim Durchführen von Kampfanimationen hatte jede Bewegung 5 Stadien: Eröffnungspose, Andeutung, Angriff, Erholung und Endpose. Andeutungen sollten auf die Angriffe abgestimmt sein, damit sie andere Spieler auf die Art des Angriffs hinweisen. Erholungen sind für leichte Angriffe kurz und für schwere länger. Da das Spiel im Geiste ein japanisches ist, sind die Bewegungen in Demon’s Souls „posenlastig“. Anstatt den Schwerpunkt auf brutale, charakterstarke Angriffe zu legen, wies Gavin mich an, charakterlos zu agieren und mich stattdessen auf die Endpose zu konzentrieren.
Gavin und Chris legten extremen Wert darauf, dass der Spieler das Gewicht der Waffen spürt, und daher mussten wir manchmal enorm schwere Waffenrequisiten verwenden.
Das Team sollte außerdem ein neues Motion Capturing der zivilen NSC und der Filmsequenzen durchführen. Für den Look der Neuauflage auf PS5 brauchten wir eine völlig andere Performance. Chris gestaltete die Welt mit ihren Bodenspiegelungen, Wettereffekten und der Optik der Blätter, und Gavin verlieh ihr mit Schauspieler-Anweisungen wie „das Geräusch ferner Kirchenglocken“ und „der Geruch eines stillstehenden Burggrabens“ Leben, ohne dem Schauspieler genau zu sagen, wie er zu reagieren hat. In diesem Punkt vertraute er den Schauspielern. Beim Motion Capturing steht man in einem weißen Raum, umgeben von Infrarot-Kameras, und man muss in eine Szene eintauchen. Anweisungen wie die oben erwähnten, die ausgeschmückt sind und doch dem Darsteller vertrauen, sind genau das, was ein Mocap-Schauspieler braucht.
Zu meiner Rolle als Stunt-Koordinator in Demon’s Souls gehörte es, die Eröffnungsfilmsequenz zu koordinieren, die eine Szene beinhaltet, in der der Held in einem einzigen, ununterbrochenen Take gegen acht Gegner kämpft. Wir haben einige der besten Stuntleute Hollywoods engagiert, um diese Szene in zwei verschiedenen Set-ups aufzuzeichnen. Gavin und Chris sorgten dafür, dass man die finstere Atmosphäre des Spiels in den Darbietungen spüren konnte.
Eine spannende Neuerung des Kampfsystems von Demon’s Souls sind die verschiedenen Gegenschläge. Diese Todesschläge gegen den Gegner kann man frontal oder von hinten durchführen, und jedes Waffenset des Spiels hat seinen ganz eigenen Stil. Hierfür sicherten wir uns die Unterstützung von Maggie McDonald, die auch die Bewegungen des weiblichen Protagonisten aufzeichnete und mit der wir Dutzende Gegenschläge gemeinsam aufnahmen. Dabei war es das Ziel, das Gewicht und die Intensität der Bewegungen zu maximieren, damit ein überzeugender Todesschlag entsteht.
Für das Niveau der Animationsdetails, das man in Demon’s Souls findet, ist Motion Capture mit erfahrenen Profis entscheidend, allerdings ist das nur die halbe Miete. Für uns Stuntleute ist es ein Glücksfall, bei Projekten wie diesem mit Regisseuren und Animationskünstlern arbeiten zu dürfen, die ein Auge für die Action haben und uns beibringen können, uns auf ganz neue Weise zu bewegen. Und das war für mich das Beste bei Demon’s Souls: Indem ich lernte, mich auf neue Weise zu bewegen, konnte ich japanische Action und Animationen, die ihren Schwerpunkt auf Posen und Silhouetten legen, welche sich über viele Jahrhunderte im Kabuki-Theater entwickelten, aus einer neuen Perspektive wertschätzen. Zu lernen, mich in Demon’s Souls zu bewegen, half mir dabei, Bewegung auf ganz neue Weise zu sehen und zu verstehen.
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