Yugo Nakamura, Founder, Tha ltd.
Ich liebe es, Vögel zu beobachten. Wenn ich in den Himmel schaue und einen Schwarm vorbeifliegen sehe, scheint für einen Moment die Zeit still zu stehen: die wunderschönen, organischen Bewegungen, die Schwankungen in Dichte und Verteilung. Wenn ich ihre Muster beobachte, kann ich die Präsenz von etwas spüren, das eine Art gemeinsames Bewusstsein ist, das die Tiere scheinbar verbindet.
Wieso haben Vögel diese mysteriösen Gruppenverhalten?
Biologen debattieren darüber bereits seit ewiger Zeit, aber die wohl entschiedenste Theorie ist von einem Mann namens Craig Reynolds. Er ist kein Biologe, aber ein Grafikexperte am PC. Er beschreibt den Blick auf einen einzigen Vogel aus der Gruppe, dem man drei einfache Regeln zum Befolgen gibt: Bewege dich auf die Gruppe zu, lenke in die selbe Richtung und halte dich von anderen entfernt, um Kollisionen zu vermeiden. Das Ergebnis: erstaunlich lebensecht.
Mit anderen Worten gibt es kein geteiltes Bewusstsein, das die Vögel dazu bringt, in einer großen Gruppe als Schwarm zu fliegen – es ist nur das Resultat von verkettetem Triebverhalten der einzelnen Tiere. Dieser Algorithmus, bekannt unter dem Namen „Boids”, hat Anerkennung für die Einfachheit der Prinzipien und die Fülle der praktischen Anwendungen (einschließlich Spiele, CGI-Effekte, unbemannte Fahrzeuge und mehr) gewonnen.
Was mir bei Boids am meisten auffällt ist die Tatsache, dass es nicht das Ergebnis von Beobachtungen und Experimenten durch Biologen ist, sondern eine „intuitive” Idee einer Person, die in einem völlig anderen Feld arbeitet. Die von Reynolds benannten Kernaspekte des Algorithmus ergeben für Menschen einen vollkommen intuitiven Sinn, da wir sie leicht erfassen können.
Boids bringt in gewisser Weise die Idee zu Tage, dass die menschliche Rasse eine Art vogelartiges Verhalten ausführt, basierend auf unserer Perspektive. Wir wissen nicht, was Vögel dazu bewegt, sich so zu bewegen, wie sie es nun einmal tun. Es sei denn, wir sind selbst ein Vogel. Soweit wir wissen, können ihre Gedanken an einem völlig anderen Ort sein.
Wir Menschen hingegen, abseits einer Vogelgesellschaft und mit deutlich mehr Intelligenz ausgestattet (zumindest denke ich das), können Boids dazu verwenden, um die Natur dieser Kreaturen besser zu interpretieren.
Menschen beobachten
Die Inspiration zu unserem Spiel Humanity kam von dem Gedanken, wie ein transzendentales Wesen ein „menschliches” Verhalten wohl interpretieren würde. So, wie wir es mithilfe von Boids bei den Vogelschwärmen tun.
Diese transzendentalen Wesen könnt ihr euch so vorstellen, wie ihr wollt (Aliens, Götter, Zukunfts-A.I., etc): Der Punkt ist: Ich wollte herausfinden, wie wir Menschen und unsere Gesellschaft für eine andere Form der Intelligenz aussieht und wie sie das menschliche Gruppenverhalten simulieren würden.
Ich habe das Projekt damit begonnen, Investigationen zu betreiben und verschiedene Beispiele für das Verhalten von Menschen in der Gruppe zu sammeln. Glücklicherweise lebe ich in Tokyo, wo es überall Menschenmassen gibt. So war ich in die Lage, mehrere einzigartige Gruppenverhalten an Bahnhöfen, auf Events und an anderen Orten zu erleben.
Wenn ihr eure Perspektive erweitert und anfangt, Menschen zu observieren, behaltet diese Gedanken im Kopf. Ihr werdet feststellen: Menschen haben ein unglaublich vielfältiges Gruppenverhalten.
Ein Beispiel: Wenn diese besonderen Wesen sich mit Influencern, Tweetstorms und anderen Phänomenen der Social Media-Welt befassen würden, was würden sie daraus schließen und über und Menschen denken? Was wäre ihre Meinung zu Diktatoren, die an die Macht kommen und dann gestürzt werden? Und was würden sie davon halten, dass direkt der nächste Diktator nachrückt? Unsere Geschichte von Krieg und Frieden – wie würde ein solches Wesen diese sich scheinbar immer wieder wiederholenden Ereignisse der Menschen einschätzen?
Menschliche Verhaltenssimulation
Ich habe angefangen, mir eine menschliche Verhaltenssimulation vorzustellen. Also etwas, das diese transzendentalen Wesen erschaffen würden, nachdem sie uns beobachtet haben. Ich konnte nicht aufhören daran zu denken, bis es vor drei Jahren endlich soweit war und ich es kreieren könnte. Gemeinsam mit anderen klugen Köpfen aus meiner Firma, Tha.
Wir standen am Anfang und nichts war in Stein gemeißelt – wir hatten keine Vorstellung davon, wohin es führen würde oder wie es aussehen sollte. Aber über eine Sache waren wir uns im Klaren: Der Titel soll „Humanity” lauten.
Wenn du glaubst, eine menschliche Gruppensimulation zu erschaffen zu können (das macht Spaß zu spielen!), designt von jemandem, der kein Mensch ist, klingt verrückt – das gebe ich ja zu! Ich bin kein transzendentales Wesen, ich bin einfach nur ein Typ, der in der menschlichen Gesellschaft ertrinkt … Ich kann nur versuchen mir vorzustellen, wie das wäre. Ich möchte außerdem anfügen, dass das kein einfacher Prozess ist!
Trotzdem blieben wir an der Idee dran und hofften etwas zu erschaffen, das unsere vorgestellten transzendentalen Wesen anerkennen würden. Vielleicht kommentierten sie es ja mit einem „Jepp, genau so.”, oder einem „Ah ja, so sind die Menschen also.”
(Natürlich will ich zudem ein Spiel erschaffen, an dem menschliche Wesen wie ich großen Spaß haben!)
Wer sind „wir” eigentlich?
Meine Firma, Tha (ausgesprochen „T-H-A”), ist keine Spieleentwicklungsfirma. Einfach gesagt sind wir eine Gruppe von Designern und Technikern, die verschiedene PC Medien erschaffen. Dazu gehören Web-Inhalte, Apps, Installationen und Videos. Unser Motto lautet (so klischeehaft es ist): Der Teufel steckt im Detail. Wir sind ein kleines Designstudio, in dem die feinen Details für handwerkliche Schönheit in Software sorgen.
Ich wollte mal ein Architekt werden und eines meiner liebsten Dinge bei guter Architektur ist, wie sich alles integriert. Von der Art und Weise, wie große Formen miteinander agieren, bis hin zu den kleinen Details bei den Armaturen. Verschiedene Maßstäbe und Disziplinen vereinen sich in jedem Gebäude zu einem großen und zusammenhängenden Ganzen.
Ich denke, Spiele sind in der modernen digitalen Welt ganz nah an Architektur dran. Wir müssen uns über alles Gedanken machen: vom Bau der Welt, über Spielmechaniken, Programmierung, A.I., Animation und Co. bis hin zu Musik. Dazu kommt die Feinabstimmung, um am Ende ein einheitliches und zusammengehörendes Objekt zu erschaffen. Videospiele faszinieren mich offenbar aus einem ähnlichen Grund wie die Architektur.
Der Strohmillionär
Als eine Gruppe, die sonst mit der Videospielindustrie nichts zutun hat, haben wir Humanity entwickelt, ohne einen Release-Plan aufzustellen. Wir hatten keine solide Idee, wie wir es herausbringen sollten. Dann, vor gut zwei Jahren, hatten wir einen Haufen Glück. Unser Hauptprogrammierer, Yama-san, hat eine frühe Version von Humanity einer Gruppe von Unity-Entwicklern gezeigt. Einer der Richter war auf diesem Event Mr. Tetsuya Mizuguchi von Enhance.
Ein paar Monate später hat sich Mizuguchi-san gemeldet: „Ich kann nicht aufhören, an diese Demo zu denken. Unterhalten wir uns.” Die Idee, dass sich der Mann hinter Rez für uns interessiert, war sehr aufregend. Also haben wir uns mit Enhance getroffen und darauf geeinigt, Humanity offiziell als vollständiges Spiel für eine Veröffentlichung zu entwickeln.
Das bringt uns zum heutigen Tag. Enhance hat uns auf verschiedene Arten geholfen, die über die reinen Veröffentlichungspflichten weit hinausgehen. Jetzt fühlt es sich eher wie eine gemeinsame Produktion an.
Wenn wir auf die Geschichte von Humanity zurückschauen, erinnert es mich an das alte japanische Märchen des Strohmillionärs. Ein armer Farmer, der mit nur einem Stück Stroh eine ganze Serie an eskalierenden Geschäften abschloss und sich langsam Ruhm und Erfolg aufbaute.
„Es ist egal wie klein du anfängst, solange du nicht aufhörst daran zu arbeiten und niemals aufgibst, wird du neue Orte erreichen.” – diese Art einer idealen Geschichte passiert nur selten im Leben der Menschen, aber manchmal wird sie wahr.
Humanity auf PlayStation zu veröffentlichen ist für uns eine extrem seltene und besondere Möglichkeit. Deshalb werden wir dafür alles geben. Ich hoffe, ihr behaltet das Spiel gut im Auge, denn wir haben schon bald neue Informationen zum Gameplay und den Mechaniken von Humanity. Wir freuen uns schon auf das finale Spiel nächstes Jahr.
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