Nathan Whitehead, Composer
Beim Komponieren der Musik für Days Gone ließ ich mich inspirieren vom traumhaften Ambiente, das sich Bend Studio in der Hochwüste des pazifischen Nordwestens ausgesucht hatte.
Die Natur dieser Gegend mit ihren prächtigen Wäldern, Bergen und Wasserfällen ist einfach atemberaubend. Aber auch auf dem Vulkanboden findet man karge Vegetation und schroffere Landschaften – übersät mit den Überresten von Gebäuden, die im Regen, Schnee und den warmen Winden der Gegend ihrem Schicksal überlassen wurden. Die Umgebung und die künstlerische Richtung, die Bend Studio für Days Gone wählten, hatten eine bodenständige, ursprüngliche Qualität, die an die Pionierzeit Amerikas erinnerte.
Anstatt einfach gitarrenlastige Classic-Rock-Stücke zu komponieren, die auf Deacon und seinem Hintergrund als Mitglied einer Motorradgang basierten, wollte ich den Spieler auf den Schauplatz des Spiels einstimmen, damit er sich mit Deacon identifizieren und in die Welt um ihm herum eintauchen kann. Also ging ich auf die Gegend ein und verfasste einen Soundtrack, der an Folk-Americana erinnert. Daher auch der urige Charakter der Stücke.
Hier eine kleine Auswahl aus dem Soundtrack, die die Richtung zeigt, in die wir mit dem Sound von Days Gone gehen wollten:
Titel 01: Days Gone
Das hier ist das erste Stück, das ich für das Spiel komponiert habe. Ich wollte damit die Grundstimmung für Deacons Reise definieren. Allerdings fühlte ich mich von diesem Ansatz einfach nur völlig überfordert!
Stattdessen versuchte ich einfach, mir vor Augen zu führen, was ich über Deacon und die Geschichte wusste, und ließ mich dann mit der Musik in diese Richtung treiben. Ich wollte ein Gefühl der Hoffnung mit innerer Einkehr und einem Hauch Melancholie verbinden. Das finstere, grausige Ende ist unsere Einführung in diese gefährliche neue Welt, und sie zeigt die zwei Faktoren von Deacons Weg: Zum einen muss er überleben, zum anderen einen Grund finden, überhaupt weiterzumachen.
Titel 02: The Freakshow
Die Musik der Freakers musste finster und aggressiv sein, aber dennoch zum musikalischen Gesamtbild passen. Außerdem war es wichtig, ein letztes Gefühl von Menschlichkeit zu bewahren. Schließlich sind sie ja infizierte Menschen.
Ich habe hauptsächlich organische, akustische Instrumente wie Klavier, Gitarre und mit Bögen bespielte Metallbleche verwendet und den entstandenen Klang stark mit Tonhöhenverschiebung und Verzerrung verfremdet. Meiner Meinung nach verdeutlichen die großen, treibenden Passagen den Schrecken der Horde, und die Freaker-Melodie auf dem Klavier steht für das Tragische – schließlich wurde der Großteil der Menschheit infiziert.
Titel 03: We’ve All Done Things
Dieses Stück sollte hauptsächlich Iron Mikes Thema sein. Ich wollte die bodenständigen Merkmale widerspiegeln, die ihn definieren. Iron Mike ist stark, und er hat so einiges durchgestanden. Er ist außerdem eine eindringliche Stimme der Vernunft für Deacon, die ihm sagt, dass es nicht immer die Lösung sein kann, alles zu töten.
Ich habe Harmonium und Mundharmonika verwendet, um ein raues, hymnisches Fundament zu schaffen, auf dem dann Akustikgitarren und Sologeige aufbauen, die das Streichorchester einleiten. Die Musik sollte etwas von der wilden Entschlossenheit und dem vorsichtigen Optimismus von Iron Mike haben.
Titel 04: Rest in Peace
Das Ende der Zivilisation hat nicht auf alle dieselbe Wirkung. Der Kult „Rest in Piece”, auch bekannt als die Ripper, sind nicht infizierte Menschen, die Freaker mehr oder weniger als Götter anbeten.
Ripper sind extrem gefährlich, und ich wollte diese Musik bedrohlich und kantig gestalten, aber noch immer im Einklang mit dem allgemeinen musikalischen Gesamtbild. Dazu habe ich eine Rahmentrommel und harte, bending-lastige Riffs auf der Akustikgitarre als Kernelemente verwendet. Meiner Meinung nach hat diese Kombination einen wilden, stammestümlichen Klang, der perfekt zu den Rippern passt.
Titel 05: Finding NERO
Die Musik für NERO grenzt sich deutlich vom Rest der Stücke ab. Ich setzte zwar auch hier Gitarren, Streichinstrumente und andere Elemente unserer organischen Palette ein, aber für NERO brauchte es zudem einen futuristischen High-Tech-Charakter und einen Hauch Mysterium.
Daher setzt sich das Fundament für NERO mehr aus Synthesizer-Klängen zusammen, auf denen dann Streichinstrumente und eine einfache, rätselhafte Melodie aufbauen, sodass ein Gefühl von Größe und Geheimnis entsteht.
Titel 07: The Rager Bear
Die Vorstellung von Bären, die von Freakern infiziert wurden, kam mir sofort cool und schreckenerregend vor. Die Musik der Rager-Bären beginnt mit der Freaker-Palette, und dann wird alles kräftig verstärkt.
Ich habe ein paar leise, wütende Kratzer auf dem Becken verzerrt, um dieses wabernde Knurren zu erzeugen. Dann setzte ich noch mehr Metall-Schlaginstrumente ein, um die schwerfällige Masse dieser Kreaturen wiederzugeben. Die Streichinstrumente werden zunehmen wilder und kantiger. Dieses Stück sollte wuchtig, rau und gnadenlos klingen.
Titel 08: A Good Soldier
In diesem Stück geht es um den Colonel und seine Miliz. Der Colonel ist ein strenger Anführer, der Ordnung in die chaotische Welt bringen will. Seine Mission scheint edel, aber im Laufe der Geschichte erkennen wir doch die Finsternis in ihm.
Seine Musik brauchte Gewicht und militärische Unnachgiebigkeit. Mit der stetigen Marschtrommel und der leisen Streichmelodie spiegle ich die Autorität und die Motivation des Colonels wider. Wie weit wird er gehen, um seine Ziele zu erreichen?
Titel 10: I Remember
In diesem Stück geht es um Deacons Leben vor dem Ausbruch und den anschließenden Zusammenbruch der Gesellschaft. Diese Musik sollte von Wehmut, aber auch ein wenig von Hoffnung handeln, und Deacons Entschlossenheit zeigen. Sein Weg ist kompliziert, und er hat mit Schuldgefühlen zu kämpfen.
John Garvin, der Creative Director von Sony Bend Studio, hat die Geschichte von Days Gone mit einigen unglaublichen Nuancen versehen. Daher war es eine Herausforderung, ein Stück wie dieses zu komponieren, aber die Aufgabe wurde dadurch auch umso erfüllender.
Titel 13: Promises and Regrets
Dieses Stück habe ich für einen äußerst wichtigen Augenblick im Spiel komponiert, nämlich für das Wiedersehen von Deacon und Sarah. Dieses Wiedersehen läuft nicht so, wie man es erwarten würde, und ich liebe die Komplexität, die John dieser Szene verpasst hat. Ich wollte, dass der Anfang sich fast so anfühlt, als wäre er in Zeitlupe. Sieht Deacon da wirklich Sarah vor sich?
Bald schon wird uns klar, dass die Sarah, die ihm begegnet, ganz anders ist als die Sarah, die wir schon kennen. Sie konzentriert sich ganz darauf, den „Krieg” gegen die Freaker-Infektion zu gewinnen, und will nicht mit Deacon gehen. Das ist schockierend, verwirrend und schmerzhaft für Deacon.
Endlich finden sie einander wieder, aber sie können nicht dort weitermachen, wo sie aufgehört haben. Die erste Hälfte des Stücks basiert auf Sarahs Thema. Das Arrangement ist klein und besteht nur aus Akustikgitarre und leichten Streicherklängen. Zuerst sieht alles nach einem freudigen Wiedersehen aus, aber dann hören wir eine kalte, distanzierte Variante unseres Days Gone-Themas, als Deacon klar wird, dass es nicht so wird, wie er sich erhofft hatte.
Titel 17: Sarah’s Theme
Das ist das Liebesthema von Deacon und Sarah. Dieses Stück sollte uns an die frühen Tage ihrer Beziehung erinnern, vor der Infektion, und außerdem an ihre Verbindung Jahre später, als sie eine schwierige Phase durchlaufen.
Ich habe mein einfaches Klaviermotiv und eine optimistische Akustikgitarre verwendet, um eine traumähnliche Atmosphäre zu erschaffen. Das Stück baut sich auf, bis Sarahs Melodie zum ersten Mal auf einer Akustikgitarre gespielt wird. Ihre Melodie und das Thema von Days Gone ähneln sich stark. Ich wollte, dass diese Stücke eng miteinander verbunden sind und somit widerspiegeln, was wir in Deacon und Sarah sehen.
Außerdem sollte dieses Stück sich deutlich vom Rest des Soundtracks abheben. Ihre Beziehung ist ein strahlend helles Licht, das Deacon antreibt, nicht aufzugeben. Das Thema baut sich auf zu einer großen, triumphalen Variante von Sarahs Melodie auf Streichinstrumenten, unterstützt von treibenden Trommeln, Gitarren, und dem einfachen Klaviermotiv. Dies ist wahrscheinlich die glücklichste Musik im ganzen Spiel, und ich hoffe, dass sie dem Spieler diese mächtige Verbindung zwischen Deacon und Sarah vermitteln kann.
Titel 19: Never Give Up
Dies ist eine weitere entscheidende Szene. Deacon erfährt, dass Sarah nicht daran arbeitet, die Freaker zu vernichten, sondern sie zu heilen. Dies bewegt Deacon zutiefst und er besteht darauf, dass Sarah ihr Werk fortsetzt. Dieses Stück ist als Schlachtruf gedacht, soll jedoch auch intim klingen.
Die ersten Akkorde des Days Gone-Themas werden kombiniert mit einer zarten Melodie auf einem Solocello: Deacon wird klar, wie wichtig Sarahs Arbeit ist, und er drängt sie, auf keinen Fall damit aufzuhören. In diesem ganz besonderen Augenblick sehen wir, wie Deacon Sarahs Einsatz für dieses Heilmittel anerkennt und wir sehen auch, wie Sarah sich von Deacon verstanden und unterstützt fühlt.
Ich wollte, dass die Spieler diese Nähe zwischen den Charakteren spüren. Daher wechselt das Stück auf weiche Klänge der Akustikgitarre, während die Streicher eine weitere Passage des Days Gone-Themas spielen. Dieser zarte Moment vergeht und die Streicher stimmen einen treibenden Stakkato-Abschnitt an, als Deacon und Sarah hoch motiviert ihren Plan aushecken, nach Norden zu fahren. Sie riskieren alles, um frei und zusammen leben zu können.
Als Deacon geht, bedankt sich Sarah erneut bei ihm. Er entgegnet „Ja, Ma’am”, doch diesmal ist seine Antwort ein intimer Witz zwischen Menschen, die sich lieben. Ein wunderschöner, kleiner und berührender Augenblick, bei dem ich Gitarre und Klavier einmal mehr das Hauptthema andeuten lasse.
Titel 21: Why We Fight
Dieses Stück untermalt eine unglaublich traurige Szene: Deacon glaubt, dass Boozer tot sei und dass er sich geopfert habe, um den Sieg gegen die Miliz des Colonels möglich zu machen. Der Spieler sollte unbedingt den Ernst dieses Moments spüren.
Deacon und Boozer sind Brüder, und Deacon bricht das Herz beim Gedanken daran, Boozer verloren zu haben. Ich habe hier eine einfache, getragene Version des Days Gone-Themas verwendet, die leise beginnt und dann mit lauter werdenden Streichern und einer Variante der Melodie auf einem Solocello anwächst. Mein Bestreben war es von Anfang an gewesen, dem Days Gone-Thema ein Element von Melancholie und innerer Einkehr zu verleihen, und das hier ist das Thema in seiner traurigsten, introspektivsten Form.
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