Letzte Woche konnten wir endlich einen Blick darauf erhaschen, was uns – und Aloy – in Horizon Forbidden West erwarten wird. Mit neuen Gameplay-Mechaniken zum Meistern, neuen Maschinen zum Überbrücken und neuen Schauplätzen zum Erkunden hat uns Guerrilla heiß auf mehr gemacht. Neben der visuellen Präsentation feierte auch der Soundtrack des Spiels sein ohrenumschmeichelndes – wenn auch viel zu kurzes – Debüt. Deshalb schmökern wir heute ein wenig in den Kompositionen.
Dank ihrer Veröffentlichung auf Streaming-Diensten, können die vier Stücke aus der „State of Play“-Demo nun einzeln angehört werden (und über den Spotify-Player unten). Weiterhin freuen wir uns, die Komponisten der Musik in Horizon Forbidden West bekanntzugeben. Joris de Man, Niels van der Leest und das Komponistenduo The Flight kehren alle aus Horizon Zero Dawn zurück, zudem gesellt sich beim Nachfolger Oleksa Lozowchuk neu dazu.
Um die Veröffentlichung der EP zu feiern und die ersten Details darüber zu teilen, was Spieler von ihnen für Horizon Forbidden West erwarten können, haben wir die Komponisten und Guerilla Music Supervisor Lucas Van Tol zu einer Diskussion am runden Tisch zusammengebracht. Dieser weitreichende Chat befasst sich unter anderem mit den Herausforderungen, auf dem Vorherigen aufzubauen, zu entscheiden, wer an was gearbeitet hat („wir haben viel mehr Musik als in Horizon Zero Dawn“, erklärt Van Tol) und individuelle Herangehensweisen an das Komponieren. (Fun Fact: Ein Komponist baut seine eigenen Instrumente. Aber zuerst eine Einführung:
Die Wiedervereinigung der Gruppe
Die Gedanken zur Musik der Fortsetzung begannen, „als wir wussten, dass es eine geben wird“, witzelt Van Tol.
Dem Music Supervisor von Guerrilla oblag es nicht nur, die entscheidenden Aspekte der Musik in Horizon Forbidden West zu bestimmen, unter denen jeweils die vier Komponisten arbeiten würden, sondern auch den Prozess im Auge zu behalten. Die Klangkulisse der offenen Welt der Fortsetzung zu kreieren – was unter anderem, aber nicht nur, die Stämme, Charaktere, Gegner, Schauplätze und Signale beinhaltet – sowie die Weiterentwicklung dessen, was davor kam, gestaltete sich nachvollziehbarerweise als ein riesiges Unterfangen. Die Arbeit aufzuteilen und zu trennen, machte einfach Sinn. Van Tol übernahm sowohl die Rolle des Direktors als auch des Dirigenten, der die Gruppe während der Produktion eingewiesen und geleitet hat. Er wollte auch eine andere Herangehensweise an die Musik des Spiels. „In Horizon Zero Dawn lag unser anfänglicher Fokus auf den Schauplätzen“, erklärt er. „Dieses Mal wollten wir viel näher der Geschichte folgen und ein fließenderes und emotionaleres Erlebnis schaffen, auch außerhalb der Filmsequenzen.“
Die vorherige Zusammenarbeit half ihm dabei, die beste Vorgehensweise zu bestimmen. Alexis Smith von The Flight merkt an, wie gut sich Van Tol inzwischen mit den Klängen und Stärken jedes Komponisten auskennt: „Er kann meistens gut einschätzen, wer von uns welchen Teil der Komposition übernehmen soll.“ So arbeitete Joris de Man an emotionalen Signalen, „die nicht einem bestimmten Gebiet zugehörig sind“, während Niels van der Leest wie im Vorgänger die Perkussion für bestimmte Ereignisse wie die Jagd sowie die Musik für jede Stammesregion im Spiel übernahm. Doch es gab Ausnahmen: Handlungsbögen zu Charakteren, die Schlüsselszenen und Quests beinhalten, wurden komplett einem einzigen Komponisten überlassen, um die thematische Kontinuität zu wahren.
Oleksa Lozowchuks Aufgabenbereich war umfangreicher und umfasste alles Mögliche. „Es hat mir sehr dabei geholfen, ein gutes Gefühl dafür zu entwickeln, wie die verschiedenen Musikarten ineinandergreifen und sich durch die Spielabschnitte hinweg verflechten.“ Man kann also sagen, dass er von Beginn an ein Ohr für diese Welt hatte. Lozowchuk ist ein Branchenveteran, der sieben Jahre lang für Capcom Vancouver arbeitete und dem Komponistenstab beitrat, nachdem er das Team mit seinen Bewerbungsstücken beeindruckt hatte.
Doch auch dann hörte er sich regelmäßig die Werke seiner Kollegen an, um sicherzugehen, dass alles wie aus einem Guss klang. Wie alle anderen, die sich untereinander mit Gruppenanrufen und einem gemeinsamen Cloud-Speicher blitzschnell auf den neuesten Stand brachten, da sie alle von verschiedenen Ländern aus arbeiten. Dies ermöglichte Orientierung und die Möglichkeit, während erzwungenen Pausen, die durch Covid entstanden („Wir haben unser Zeug nach Hause gebracht und von dort aus weitergemacht“, erinnert sich Alexis), mit den Kollegen in Verbindung zu bleiben. Das Teilen führte auch zu unerwarteten Zusammenarbeiten. „The Flight hat irgendwann meine Vocal-Assets für ein neunteiliges Chorstück, das ich für einen der Stämme im Spiel geschrieben habe, wiederverwendet und neu abgemischt“, ruft sich Oleksa ins Gedächtnis. „Sie haben sie auf ihre eigene Art benutzt, um eine andere Szene in einem völlig anderen Kontext im Spiel auszugestalten.“
Die Rückkehr zu Horizon Zero Dawn
Lozowchuk hörte sich zunächst den Soundtrack des Vorgängers an, um sich in Aloys Welt hineinversetzen zu können. The Flight hat originale Aufnahmesessions hochgeladen, um sich daran zu erinnern, wie der Prozess ablief, während de Man auf seine eigenen Stücke zurückschaute, „um sich zu vergegenwärtigen, weshalb diese Stücke so gut funktionierten“.
Auch die anderen spielen darauf an, dass wir wiederkehrende Themen aus dem Original hören werden. Darunter fällt auch Aloys Thema, „jedoch dem neuen Spiel angepasst“, bestätigt de Man. Ich möchte wissen, wie das Stück, das das wachsende Selbstbewusstsein von Aloy im Verlaufe des ersten Spiels einfing, sich noch weiterentwickeln und dabei seine vertraute Wirkung beibehalten kann. „Das ist wohl einer der interessantesten Aspekte der Fortsetzung für mich“, antwortet er.
Er und die anderen wiederkehrenden Komponisten waren eifrig dabei, zusätzliche Schichten für die Welt zu entdecken, deren musikalische DNA sie prägten. „Uns war bewusst, dass wir neue Klanggebiete betraten und nichts einfach bloß vom vorherigen Spiel übernehmen und erneuern konnten“, beschreibt de Man die vorausliegende Herausforderung. Sie ließen sich sowohl von der realen als auch von Aloys Welt inspirieren. „Man liest die Hintergrundgeschichte des Teils von Horizon Forbidden West, an dem man arbeitet“, skizziert van der Leest seine Methode, wieder ins Spiel zu kommen, „man versucht, Ähnlichkeiten zur eigenen (musikalischen) Geschichte zu finden und daraus dann Ideen zur Erschaffung von Neuem abzuleiten.“ Oleksa findet, dass das Team das richtige Maß an wiederkehrender Musik und neuen Stücken gefunden hat. „Man möchte nicht diejenigen entfremden, die das erste Spiel geliebt haben, ihnen aber auch im Nachfolger eine Menge zum Erkunden und Bereisen bieten.“
Die Entdeckung des neuen Sounds
Ging irgendetwas mal zu weit oder hat nicht zu der Klangpalette des Spiels gepasst hat? Erneut weisen alle darauf hin, dass Van Tol alle stets auf dem richtigen Pfad gehalten hat. „Er konnte uns Rückmeldungen zu Stücken geben, die wir eingereicht haben, dass wir beispielsweise bestimmte Instrumente nicht benutzen sollten, da sie mit bestimmten Stämmen assoziiert werden“, erläutert de Man, „einige Texturen mal ausprobieren oder uns das anhören sollten, was die anderen Komponisten schon geschaffen haben, um die richtige Atmosphäre für ein Gebiet zu wählen.“
Der Komponist schildert weiterhin: „Das Hauptanliegen war es, mit organischen Texturen und Sounds aufzuwarten, die zur Ästhetik der Welt in Horizon Forbidden West passen würden und dabei den Klang aufzuwerten, auf dem Horizon Zero Dawn basierte – das heißt also, dass etwas mehr Synthesizer-Basteleien und synthetische Texturen als im Vorgänger vorhanden sein werden, die die organischen Töne ergänzen.“ Van der Leest hat stets unsere Protagonistin vor Augen: „Das Schlüsselthema für mich war es, die Welt immer durch Aloys Augen zu betrachten. Sie muss erneut eine schwierige Aufgabe bewältigen, die ihre Sicht auf die Welt um sie herum beeinflusst.“
Ein interessanter Fakt stelle sich im Hintergrund dieser Frage heraus: Neben der Suche nach eher unbekannteren Instrumenten und der anschließenden Nachforschung, welche davon zu welchen Stämmen passen würden, tauchte Niels van der Leest noch tiefer in Aloys Welt ein, indem er seine eigene baute. „Die Menschen dieser Welt haben keine Erinnerungen an unsere Gesellschaft“, verdeutlicht er, „deshalb erschaffen sie von Grund auf ihre eigenen Instrumente, darunter auch viele, die denen unserer Welt nicht im Geringsten ähneln.“
Der kreative Prozess von jedem unterscheidet sich. Joris de Man improvisiert auf dem Klavier und probiert ein paar einzigartige Kniffe aus, indem er beispielsweise mit einem Plektrum auf einer Geige spielt, zwischen deren Saiten Papier festgeklemmt wurde („Warum auch nicht?“). Er spricht davon, dass seine Palette diesmal mutiger und unberührter sei – ein Stil, der Forbidden West widerspiegeln soll, „ein gefährlicheres Gebiet, in dem einen noch mehr Ungewissheit erwartet.“
Van der Leest genehmigt sich einen Ruhetag vom Studio und seinem Keyboard, damit er mit einer frischen Einstellung herangehen kann, wenn er ein Stück zu einem neuen Gebiet anfängt. The Flight schmücken ihren Arbeitsplatz mit passenden Gegenständen zu ihrer Aufgabe, die als Inspiration zum Experimentieren dienen. Oleksa klappert eine horizonterweiternde Liste an Instrumenten ab, die organische Quellen, indigene Perkussionsinstrumente und synthetische Quellen beinhaltet, die er benutzt, um seinen eigenen Fleck auf der Welt zu erschaffen. „Ich versuche, dem Auf und Ab des Energieflusses zu lauschen, der alle Melodien, Harmonien und Texturen auf verschiedenen Hörebenen durchläuft, um sicherzustellen, dass er meine Aufmerksamkeit aufrechterhält, bis ich merke, dass eine Sättigung erreicht wird. Sobald ich genug gehört habe, um es zu veröffentlichen, kann ich weitermachen.”
Ein Soundtrack wie kein anderer
„Eine Sache, auf die ich stolz bin und die das Komponistenteam bei Horizon Zero Dawn bewerkstelligt hat, war, dass die Musik sich dort wie etwas ganz Natürliches anfühlt – die Leute hörten sie sich an und dachten sich, dass es natürlich so klingen müsse, dass es sich wie ein Teil der Welt in Horizon anfühle“, sagt de Man über ihren Erfolg im Jahr 2017, eine spezifische Klangkulisse zu erschaffen. Van der Leest betont dies ebenfalls: „Das war einer der aufregendsten Aspekte bei der Entwicklung der Musik. Einen Klang zu kreieren, der sich zwar irgendwie vertraut anhörte, aber bei dem man nicht genau sagen konnte, was das ist. Natürlich erkennt man ein paar Instrumente wieder, aber durch die Kombination mit anderen, eher außerweltlichen Instrumenten und Elektronik-Klängen hörten sie sich neu und frisch an.“
Das Ziel beim ursprünglichen Spiel war es, einen Soundtrack zu erschaffen, den Spieler so noch nicht gehört haben. Die Komponisten haben das für die Fortsetzung im Hinterkopf behalten: „Die gleiche Ader, aber anders“, beschreibt Alexis den bindenden Faden zwischen dem Original- und dem Nachfolgewerk. Oleksa betitelt die Ergebnisse als „Klang-Alchemie“. „Bei diesem Projekt habe ich nicht-menschliche Klänge aus menschlichen Stimmen geschaffen und akustische Instrumente dazu gebracht, menschliche Stimmen und Ausdrücke zu imitieren.“ Dies wurde durch die Möglichkeit verstärkt, in diese Welt zurückzukommen und ihre Klangkulisse zu erweitern. Niels van der Leest fasst es treffend zusammen: „Horizon Forbidden West ist ein besonderes Projekt, da es einen konstant dazu bringt, über den Tellerrand hinauszuschauen. Die Musik für dieses Spiel zu kreieren ist ein einzigartiges Erlebnis.“
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